Pause ist mir heilig (1/2)

Man könnte meinen, dass Pausen im pädagogischen Alltag etwas Normales sind und nicht nur von Kindern und Schüler*innen, sondern auch von deren Pädagogen*innen regelmäßig genutzt werden, um die persönlichen Akkus wieder aufzuladen. Allerdings sind unter den Fachkräften aktiv genutzte Erholungsphasen eher selten. Sie werden auf das Wochenende oder gar auf die Ferien geschoben und Erschöpfung oder stressbedingte Erkrankungen sind häufige Folgen. Pausen sind daher nicht nur wünschenswert, sondern essentiell für die Erhaltung der Leistungsfähigkeit und der körperlichen wie seelischen Gesundheit. Und ja, es gibt Möglichkeiten, solche regenerative Pausen tatsächlich in den Schul- & KIGA-Alltag effektiv und einfach zu integrieren!
 

Pause ist mir heilig?

10:25 Uhr: Die Schulglocke läutet zur „großen Pause“, aber für mich sind diese 10 Minuten alles andere als eine Auszeit. Ein Schüler aus der 4b löchert mich mit ein paar Fragen zum anstehenden Test, eine Schülerin erkundigt sich nach ihrer Note. Ich blicke auf die Uhr, denn ich sollte noch kopieren. Das hatte ich in meiner Freistunde machen wollen, die mir aber heute spontan durch eine Vertretungsstunde abhandengekommen ist … eigentlich müsste ich ja noch auf die Toilette … 

13:15 Uhr: Die Blase drückt noch immer. Also eile ich zum WC, vorbei an meiner Kollegin, die eine Frage zur gemeinsamen Klassenfahrt hätte. Ich rufe ihr im Vorbeilaufen eine schnelle Erklärung zu und dass ich sie später anrufen werde … An anderen Tagen muss ich gar nicht aufs WC, weil ich mir nicht einmal die Zeit nehme, ausreichend zu trinken.

16:50 Uhr: Sonnenschein draußen … ich drinnen vor dem PC; der von mir geplante Spaziergang muss ausfallen. Das Telefonat und die E-Mails zur Klassenfahrt haben länger gedauert als erwartet … und jetzt noch den Test für die 4b vorbereiten…

21:34 Uhr: Schnell die letzten Hand-outs ausdrucken und dann das Pausenbrot für den nächsten Tag vorbereiten. Pausenbrot … wozu eigentlich, wenn ich dann doch keine Zeit habe, es zu essen?

Pause? Das mache ich dann abends oder am Wochenende oder gar … das mache ich in den Ferien! Da habe ich endlich Zeit dazu!
Situationen und Gedanken wie oben beschrieben sind mir aus eigener langjähriger Erfahrung als AHS-Lehrerin nicht fremd. Sie waren eher die Normalität – wie für viele Lehrer*innen, die ihre Pause auf „später“ verschieben. Im KIGA sind die Agenden andere, Zeit- und Selbstfürsorgemangel sind gleich, wie mir immer wieder von den dortigen Pädagogen*innen in Gesundheitsschulungen berichtet wird. Pause scheint ein wahrer Luxus zu sein, den man sich selten gönnt. Ein Grund dafür ist das Gefühl, nie genügend Zeit dafür zu haben. Der Stundenplan ist dicht, die To-Do-Liste lang, und oft scheint es notwendig, die wenigen Pausenzeiten für organisatorische Aufgaben oder Gespräche mit Kollegen*innen zu nutzen. Wer mit den Kleinsten arbeitet, weiß, dass es sogar schwierig sein kann, in Ruhe und alleine aufs WC zu gehen. Hinzu kommt, dass viele sich selbst unter Druck setzen, ständig produktiv zu sein – eine Haltung, die Pausen oft als unproduktiv und damit unnütz erscheinen lässt. Wer sich doch eine kurze Auszeit nimmt, muss sich eventuell sogar alberne Kommentare anhören. Nicht selten sind die Rahmenbedingungen an pädagogischen Einrichtungen ein weiteres Hindernis. Ruhige Rückzugsorte fehlen meist, und die Aufsichtspflicht schränkt die eigenen Erholungsmöglichkeiten ein. Pausen im Berufsalltag benötigen nicht nur individuell, sondern auch systematisch mehr Aufmerksamkeit. Eine förderliche Pausenkultur könnte die Fachkräfte nicht nur zufriedener und motivierter, sondern auch gesünder arbeiten lassen.

Wer es im Alltag nämlich nicht schafft, immer wieder Energie zu tanken, bei dem bleibt selbst am Wochenende die Lust aus, irgendwelche spannenden Dinge zu unternehmen. Wenn der Akku erstmal leer ist, will man lieber auf die Couch oder gar ins Bett – selbst wenn das eigene Umfeld das gar nicht verstehen kann, denn „als Lehrer*in hat man ja eh so viel Freizeit“ und als KIGA-Pädagoge*in „spielt man sowieso nur den ganzen Tag und trinkt Kaffee“, oder etwa nicht!?

Pausen haben zu Unrecht einen schlechten Ruf, denn unser biologisches System ist nicht zum Durcharbeiten gemacht. Wer sie auslässt und den persönlichen Akku nicht auflädt, wird nicht nur keine Kraft mehr für schöne Unternehmungen haben, sondern früher oder später an körperlichen oder/und psychischen Beschwerden leiden.

Laut der Austrian Teacher and Principal Health Study (ATPHS 2022)1 und der Austrian Kindergarten Teacher and Assistant Health Study (AKTAHS 2024)2

  • sind die am häufigsten auftretenden Symptome Müdigkeit bzw. Erschöpfung, unter denen 54 % der befragten Lehrer*innen und 51-63 % der befragten KIGA-Pädagogen*innen mehrmals pro Woche oder sogar öfter leiden.
  • Weitere Beschwerden sind Rückenschmerzen (über ⅔), Nacken-, Schulterbeschwerden (36 % Schule, 46-48 % KIGA) sowie Schlafprobleme (28 % Schule, 28-31 % KIGA).
  • Mehr als die Hälfte der Pädagogen*innen (51-63 %) weist eine hohe emotionale Erschöpfung auf und ist damit auch burnout-gefährdet.

Die Gefahr dabei ist, dass der Prozess des Ausbrennens schleichend ist, denn im Gegensatz zu unserem Magen meldet sich unser Gehirn eher zaghaft und leise, um zu kommunizieren, dass es leer ist. Wir Menschen sind dazu noch wahre Meister im Unterdrücken von kleinen Anzeichen, dass Kopf und Körper Bedürfnisse haben, die wir erfüllen sollten.


Pausen haben zu Unrecht einen schlechten Ruf, denn unser biologisches System ist nicht zum Durcharbeiten gemacht.

Richten wir den Blick also lieber auf die vielfältigen Vorteile einer Pause, von denen alle, die sie in ihren Alltag integrieren, profitieren können:

  • Bessere Konzentration: Neurologisch gesehen sinkt unsere Aufmerksamkeitskapazität nach etwa 1,5 Stunden ab. Kurze Unterbrechungen helfen, die Konzentration aufrechtzuerhalten und die Qualität der Arbeit zu erhöhen.
  • Stressbewältigung: Pausen wirken wie kleine „Reset“-Knöpfe für das Gehirn und helfen, eine Balance zwischen Anforderungen und Ressourcen zu finden. 
  • Zeit für persönliche Weiterentwicklung: Neben der Erholung bieten Pausen auch die Möglichkeit zur Selbstreflexion. Was läuft gerade gut? Was könnte besser funktionieren? Kurze Auszeiten können genutzt werden, um Gedanken zu ordnen, Notizen zu machen oder Ideen für die kommenden Wochen zu entwickeln. Diese Reflexionszeiten können langfristig helfen, stressige Situationen besser zu bewältigen und neue Perspektiven zu gewinnen.
  •  Soziale Chance: Wenn gemeinsame Pausen gefördert und erleichtert werden, dient das der Stärkung des Kollegiums und des Aufbaus unterstützender Beziehungen. Sozialer Austausch schafft einen echten Energiebooster und das Gefühl, nicht alleine zu sein, besonders in schwierigen Situationen.
  • Nicht zuletzt langfristige Gesundheit: Regelmäßige Erholungszeiten reduzieren das Risiko von chronischen Stressfolgen wie die oben erwähnten.

Die Pflicht – nicht die Kür

In einem Beruf, der viele mentale, emotionale und soziale Herausforderungen beinhaltet und der gekennzeichnet ist durch eine hohe Interaktionsdichte, sind gezielte Pausen also entscheidend, um langfristig gesund zu bleiben. Sie sind sozusagen die Pflicht, nicht die Kür, wenn es um Selbstfürsorge, Gesundheitsförderung und natürlich auch um Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit geht.


Aber was macht eine gute Pause aus und wie ist es möglich, sie effektiv in den Schul- und KIGA-Alltag zu integrieren? Nicht jede Pause erfüllt nämlich ihren Zweck. Der Schlüssel liegt in der Qualität der Pausen, nicht nur in ihrer Häufigkeit oder Dauer. Hier einige Aspekte, die eine Pause auszeichnen, sowie praktischen Übungen dazu.

 

  •  Achtsamkeit: Wer eine Pause effektiv machen möchte, sollte zuerst bei sich „selbst einchecken“, um wahrzunehmen, welches Bedürfnis gerade erfüllt werden darf. Ein regelmäßiger 30-Sekunden-Check-in bedeutet Sensibilisierung und echte Selbstfürsorge.

Übung:

H.A.L.T. doch mal kurz inne und drück für einen Moment die Pause-Taste. Nimm einen tiefen Atemzug und check kurz bei dir ein. Nutze das praktische Akronym H.A.L.T. als Orientierung. Sage es dir laut oder in Gedanken vor und denke dabei an ein Stoppschild:
H = hungry?
A = angry?
L = lonely?
T = tired?


Erweitere das Akronym mit Fragen wie „Was brauche ich gerade? Frische Luft? Sollte ich mich ein wenig bewegen oder doch kurz die Augen schließen? Habe ich genügend gegessen, getrunken, … geatmet? Sollte ich das ‚Stille Örtchen‘ aufsuchen?“ Antworte dir selbst ehrlich und frage dich weiter: „Was kann ich jetzt gleich (oder zumindest später – an einem von mir gewählten Zeitpunkt!) tun, um dieses Bedürfnis zu stillen?“ Diese Übung hilft dir, dich selbst nicht zu vergessen.
Mehr „Aha“s und praktische Übungen gibt es im 2. Teil des Beitrags von Tanja Gstrein-Schöffthaler.
 

Tanja Gstrein-Schöffthaler
Tanja Gstrein-Schöffthaler Mag.

Die Bildungsreise von Tanja Gstrein-Schöffthaler geht vom Anglistik/Amerikanistik und Italienisch Studium an der Universität Innsbruck und der University of Berkeley (Californien /USA) über den Hochschullehrgang "Schulische Gesundheitsförderung an der PHT und vertiefende Fort- und Ausbildungen im Bereich Bewegung, Ernährung und Entspannung. So entstand ihre 5-Elemente-Methode die durch bewusstes Ineinandergreifen zu mehr Klarheit, Vitalität, Kraft und Selbst-Bewusst-Sein führt.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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