Leben in einer Hutterer Colony (3)

Wie die Menschen in den huttrischen Colonies aufeinander schauen, darüber gibt es viele Einblicke im dritten und letzten Teil von "Leben in einer Hutterer Colony".

Ab drei Jahren sind die Kinder in der „Klanen Schul“ (das entspricht unserem Kindergarten). Dort werden sie am Vormittag hingebracht und von einer Ankela oder älteren Frau betreut. Hier lernen sie schon einfache Gebete, sich ordentlich zu verhalten, aber auch Spiel und Spaß kommen nicht zu kurz. Nach einem kleinen Mittagsschlaf, dem „Mittagschn“, den auch manche Erwachsene zu schätzen wissen, werden sie am Nachmittag zwischen 15:00 und 16:00 Uhr wieder abgeholt, oft von den älteren Geschwistern. Sobald die Kinder in die Grundschule gehen, kommen sie zu den Mahlzeiten in die „Essensschul“, wo sie meist vom Deutschlehrer und seiner Frau betreut werden, bis sie mit 15 Jahren zu den Erwachsenen in den Speisesaal wechseln dürfen.

Der Schulunterricht beginnt mit fünf Jahren und geht bis zum 15. Lebensjahr bzw. bis zur „Graduation“ mit 17 oder 18 Jahren. Die „Deitsche Schul“, die eine Stunde in der Früh und eine Stunde am Nachmittag stattfindet, wird von den Hutterern selbst geleitet. Die Kinder bekommen dort ihre religiöse Erziehung und Deutschunterricht. Dazwischen wechseln sie in die „Englische Schul“, in der sie von weltlichen kanadischen Lehrerinnen und Lehrern in allen anderen Fächern unterrichtet werden. Vermehrt absolvieren aber auch Hutterer die Ausbildung zu staatlichen Lehrpersonen an der Universität und unterrichten dann in der eigenen Colony. Oft geschieht das aus dem Bedürfnis, der Verweltlichung entgegenzuwirken und die Inhalte mancher Unterrichtsgegenstände kontrolliert in Übereinstimmung mit religiösen Werten zu unterrichten.

Manche der Jugendlichen absolvieren einen Highschool-Abschluss, manche treten in das Berufsleben in der Colony ein, wo die Burschen als Schweißer, Mechaniker, Installateure, Zimmerer oder in der Landwirtschaft arbeiten. Befähigungsprüfungen für Handwerker, z. B. für Schweißer, oder auch Führerscheinprüfungen werden außerhalb der Höfe ganz offiziell abgelegt. Die Mädchen helfen in der Küche, im Garten und bei den kleinen Kindern, wenn sie keine weiterführende Schule besuchen.

Der 15. Geburtstag ist etwas Besonderes, man tritt ein in die Welt der Erwachsenen ein, bekommt eine Bibel mit auf den Weg und auch noch andere Geschenke, die etwas wertvoller sein dürfen.

Baseball (c) Maria Dolin
Unterrichtspause (c) Maria Dolin
Auch die Erwachsenen machen eine Pause (c) Maria Dolin
Der Erhalt der deutschen Sprache ist den Hutterern wichtig (c)

Anteilnahme, Fürsorge und Gastfreundschaft

Für alte Leute ist die Colony ein Platz der Geborgenheit und Fürsorge. Man schaut sehr gut auf die alten Leute, sie bekommen eine gute medizinische Betreuung und werden zu Hause verköstigt, wenn sie nicht mehr am allgemeinen Leben teilnehmen können. Selbstverwirklichung hat auf einem huttrischen Hof nicht unbedingt Platz, es geht mehr um Disziplin, Gottesfurcht und Carpe diem (Nütze den Tag) durch Arbeit.

Jede Gemeinde wird patriarchalisch geführt. Innerhalb der eigenen vier Wände sprechen die Leiter sehr wohl auch mit den Ehefrauen über Probleme und nehmen ihren Rat an. Nach außen hin hat aber der Mann das Sagen. Auf jedem Hof gibt es immer einen bzw. zwei Prediger, welche die geistliche Verantwortung für die Gemeinde tragen und zusammen mit dem „Hausholter“ und dem „Weinzettl“ bzw. „Weinzierl“ die Gemeinde führen und verwalten. Der Haushalter ist für die Finanzen verantwortlich, der Weinzierl für die landwirtschaftlichen und baulichen Belange.

Hat eine Gemeinde mehr als 120 Mitglieder, wird sie geteilt. Die Aufteilung der Gemeindemitglieder erfolgt durch das Los, oft aber auch durch Absprache, welche Familien bereit sind, abzuwandern. Dafür wird schon Jahre vorher von der Gemeindeleitung fleißig gespart, damit man neuen Grund kaufen kann. Dieser befindet sich manchmal auch in größerer Entfernung zur Mutterkolonie. Wenn man weiß, wann ungefähr die Teilung erfolgen wird, beginnt man schon frühzeitig mit dem Bau der Häuser und der nötigen Infrastruktur.

Stirbt ein Mitglied der „Gmah“, gibt es eine „Leicht“, eine Leichenfeier, bei der man sich von den Toten verabschieden kann. Man hält am offenen Sarg Leichenwache. Es sind sehr viele Menschen anwesend, die auch über die Verstorbenen erzählen und ihnen damit die letzte Ehre erweisen. Im Anschluss daran geht niemand nach Hause, der nicht zumindest noch einen Snack zu sich genommen hat. Meistens gibt es nach der Feier ein Mahl. Oft findet erst zwei Tage später das Begräbnis am Friedhof in der Colony statt. Ein schlichter Grabstein und ein paar Blumen auf der sonst grünen Wiese erinnern an die Verstorbenen.
Es ist ein etwas ungewöhnliches Leben, in das ich eintauchen durfte, aber die ehrliche Anteilnahme, Fürsorge und Gastfreundschaft sind in der „Welt“ nicht so selbstverständlich wie bei den Hutterern. Das durfte ich am eigenen Leib erfahren. Dafür und für die bleibenden Freundschaften bin ich sehr dankbar.

Eine ganz normale hutterische Großfamilie (c) Maria Dolin
Ein guter Aufpasser (c) Maria Dolin
Alte Menschen werden gut umsorgt (c) Maria Dolin

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Brennen für das Leben. 500 Jahre Täufergeschichte

Die Täuferbewegung entstand im Zug der Refomation 1525 - vor genau 500 Jahren. Zu diesem Anlass veranstaltet der "Verein für Täufergeschichte in Österreich" von 8. bis 24. Juni in Innsbruck  eine Ausstellung über die bewegende Geschichte der Täuferbewegung. 

Führungen für Schulklassen können unter info@taufergeschichten angemeldet werden. Alle weiteren Infos gibt es hier. 

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