LENA - Ein Lern- und Leistungsnachweis (1)

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit dem vom Autor designten Lern- und Leistungsnachweis (kurz »LENA«) als Weiterentwicklung des Daltonplans und des COOL-Konzeptes.
Der in drei Teile gegliederte Artikel zeigt die Vorteile des LENA für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte auf, er erläutert, wie Lernen und Erfolge unter Berücksichtigung der Forderungen des neuen Lehrplanes der Mittelschule sichtbar gemacht werden können. Im letzten Teil wird das Konzept einer Evaluation unterzogen, aus der Entwicklungsschritte abgeleitet werden. 

Der Lehrplan als Impulsgeber für guten Unterricht und als Brücke zum Daltonplan und COOL-Konzept

1. Lernen in der Schule von heute: der neue Lehrplan

Der neue Lehrplan regt ein Über- und Neudenken bzw. Weiterentwickeln des Unterrichts an. Er gibt eine Orientierung für qualitätsvollen und guten Unterricht. Im folgenden Teil werden die Grundforderungen des neuen Lehrplanes zusammengefasst. Diese Zusammenfassung ist Basis für die Entwicklung des Unterrichtsmodelles „LENA“, das in den Folgeabschnitten erläutert wird.

Im gesetzlichen Auftrag der Mittelschule wird die Förderung von selbstständigem und eigenverantwortlichem Lernen betont. 
Der Bildungsauftrag umfasst kognitive, emotionale und soziale Aspekte, die sich im sogenannten 4K-Modell zusammenfassen und visualisieren lassen. Das 4K-Modell beschreibt vier zentrale Kompetenzen, die Schülerinnen und Schüler benötigen:

  • Kollaboration (Förderung von Teamarbeit und kommunikativen Fähigkeiten)
  • Kreativität (Förderung von selbstständigem Denken und Problemlösungskompetenz, Vermittlung von Techniken zur Ideenfindung und -entwicklung)
  • kritisches Denken (Förderung von Argumentationsfähigkeit und Analysekompetez)
  • Kommunikation (Förderung einer konstruktiven Feedbackkultur und Erweiterung der Sprachkompetenz)
    (vgl. Lehrplan der Mittelschule, erster Teil, Allgemeines Bildungsziel, 2. Gesetzlicher Auftrag der Mittelschulen, 2023)

Schule wird vom Wissensvermittlungs- und Lernort zum Erprobungs- und Reflexionsraum, Lernen wird zunehmend individueller und geschieht entlang von offenen, schülerinnen- und schülerzentrierten und -gerechten Aufgaben, die alle Teilbereiche des 4K-Modelles fördern und fordern.


Der Bildungsauftrag zielt auf nachhaltige Kompetenzen ab und wird von einem reflexiven Grundgedanken umrahmt. Lernen in der Schule befähigt neben den im 4K-Modell ausgeschilderten Bereichen vor allem zum selbstständigen lebenslangen Lernen.
 

Eine Auffahrt auf eine Stadtautobahn aus der Vogelperspektive bei Nacht.

Überfachliche und fächerübergreifende bzw. -verbindende Kompetenzen prägen das Verständnis guten Unterrichts. Lernen wird als aktiver, selbstgesteuerter und konstruktiver Prozess betrachtet, der Reflexion und situatives Handeln beinhaltet. Die Motivation, Willenskraft und Zielsetzung der Schülerinnen und Schüler spielen dabei eine tragende Rolle. Es ist wichtig, den Lernfortschritt der Schülerinnen und Schüler zu evaluieren. Das Ziel besteht darin, dass die Schülerinnen und Schüler Wissen und Fähigkeiten erwerben, die sie in verschiedenen Situationen anwenden können.

Kompetenzorientierter Unterricht an der Mittelschule zeichnet sich laut Lehrplan durch folgende Kriterien aus:

  • Transparente Lernziele
    Die Lernziele werden klar kommuniziert, sodass Schülerinnen und Schüler wissen, was von ihnen erwartet wird.
     
  • Bezug zur Lebenswelt
    Die Aufgabenstellungen und Inhalte werden an die Erfahrungen und Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler angepasst.
     
  • Aktive Auseinandersetzung
    Die Schülerinnen und Schüler werden dazu ermutigt, sich aktiv mit dem jeweiligen Thema auseinanderzusetzen. Die Lernenden werden zu Expertinnen und Experten für das eigene Lernen, Lehrpersonen wechseln von Wissensvermittelnden zu Organisator*innen und Moderator*innen von Lernumgebungen.
     
  • Handlungs- und anwendungsorientiertes Lernen
    Erworbenes Wissen wird zur Lösung von Problemen bzw. Herausforderungen und zur Bewältigung von Alltagssituationen genutzt.
     
  • Kumulatives Lernen
    Der Wissensaufbau erfolgt systematisch und baut auf vorher erworbenem Wissen auf.
     
  • Entwicklung überfachlicher Kompetenzen
    Neben fachlichen Fähigkeiten werden überfachliche Kompetenzen wie Methoden- und Sozialkompetenz implizit entwickelt.
     
  • Kultur der Selbstreflexion
    Die Schülerinnen und Schüler reflektieren ihre erworbenen Kompetenzen und planen ihr weiteres Lernen.
     
  • Sinnstiftende Lernerfahrungen
    Die Schülerinnen und Schüler machen Lernerfahrungen, die über den Unterricht hinausreichen und für sie persönlich bedeutsam sind.
     
  • Förderung kritischen Denkens
    Die Schülerinnen und Schüler werden dazu angeregt, kritisch zu denken und eigene Standpunkte zu hinterfragen.

(vgl. Lehrplan der Mittelschule, zweiter Teil, Kompetenzorientierung, 1. Kompetenzorientierung als pädagogische Grundlage des Lehrplans und 2. Kennzeichen kompetenzorientierten Unterrichts, 2023)

Eine unbefahrene Landstraße. Man sieht sie führt den Hang hinunter und dann den weitern Straßenverlauf, der sich durch die leicht hügelige Landschaft windet.

1.1. Allgemeine didaktische Grundsätze

Der Lehrplan formuliert acht Grundsätze. Im folgenden Teil werden jene Punkte zusammengefasst, die die Basis für das im Anschluss skizzierte Unterrichtsmodell darstellen.

  • Grundsatz 1: Schülerinnen und Schüler werden im Rahmen von individuellen Lernprozessen wahrgenommen.
    Lehrerinnen und Lehrer berücksichtigen die unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen und Lernpräferenzen der Schülerinnen und Schüler. Sie geben individuelle Rückmeldungen und fördern die bewusste Wahrnehmung des Kompetenzzuwachses.
     
  • Grundsatz 2: Lern- und Lehrformate werden digital unterstützt.
    Lehrerinnen und Lehrer erkennen die Bedeutung von Medien und digitalen Geräten in der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler an. Sie nutzen digitale Medien im Unterricht, um die Methodenvielfalt und die Möglichkeiten an Lernergebnissen und -produkten zu erweitern. 
     
  • Grundsatz 3: Schule und Unterricht sind inklusiv und folgen dem Gedanken der Partizipation und Kollaboration aller am Lerngeschehen beteiligten Personen.
    Der Grundsatz betont die Bedeutung der Zusammenarbeit aller Beteiligten, um einen inklusiven Unterricht zu ermöglichen. Schule sieht die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler als Chance für gemeinsames Lernen und die Entwicklung sozialer Kompetenzen. Lehrerinnen und Lehrer schaffen eine inklusive Lernumgebung und Lernkultur, die individuelle und diskriminierungsfreie Lernmöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen bietet, unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen, ihrer sozioökonomischen Herkunft oder Erstsprache. 
     
  • Grundsatz 4:  Lehrerinnen und Lehrer bieten eine kompetenzfördernde Lernumgebung an.
    Heterogene Lernvoraussetzungen fordern die Bereitstellung individueller Zugänge. Die Unterrichtsplanung beinhaltet kompetenzfördernde Aufgaben, die eigenständiges und entdeckendes Lernen ermöglichen. Fehler im Lernprozess sind erlaubt, um Lernmomente zu schaffen. Die Aufgaben bauen auf vorhandenem Vorwissen auf und fördern inhaltsbezogene und überfachliche Kompetenzen.
     
  • Grundsatz 5: Lehrpersonen werden zu Lernbegleiter*innen.
    Lehrerinnen und Lehrer begleiten die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler, indem sie individuelle Unterstützung bieten und die selbstständige Arbeitsorganisation fördern. Sie differenzieren Aufgaben, geben formales wie summatives Feedback und helfen bei Fragen und Problemen. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler eigenverantwortliches Lernen entwickeln, ihre Kompetenzen und Leistungen sowie Erfolge einschätzen können und dadurch Motivation erhalten. Der bewusste Umgang mit Lernstrategien legt die Grundlage für lebenslanges selbstständiges Lernen.
     
  • Grundsatz 8: Transparente und kompetenzorientierte Leistungsbeurteilung.
    Die Leistungsbeurteilung erfolgt auf transparente Weise und orientiert sich an den Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Zu Beginn des Schuljahres informieren Lehrerinnen und Lehrer die Schülerinnen und Schüler sowie die Erziehungsberechtigten über das Gesamtkonzept der Leistungsfeststellung und -beurteilung. Es wird deutlich kommuniziert, dass es einen Unterschied zwischen der Beobachtung von Leistungen im Lernprozess und der Beurteilung der Ergebnisse gibt. Die Schülerinnen und Schüler lernen, ihre Lernentwicklung anhand konkreter Kriterien einzuschätzen.

(vgl. Lehrplan der Mittelschule, dritter Teil allgemeine didaktische Grundsätze, 2023)

Eine Brücke spannt sich über eine Bucht. Eine zweite Straße zieht sich teilweise parallel. Abendstimmung und die man sieht von den fahrenden Autos nur die langen Lichter.

2. Der Daltonplan und das COOL-Konzept im Abgleich mit Forderungen des neuen Lehrplanes

2.1 Der Daltonplan 

Der Daltonplan ist ein pädagogisches Konzept, entwickelt von Helen Parkhurst, benannt nach der Dalton School in Dalton, Massachusetts/USA. Er basiert auf dem Prinzip der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler und zielt darauf ab, individuelles Lernen zu fördern.

Im Daltonplan wird das Prinzip der freien Arbeit umgesetzt. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, Aufgaben auszuwählen und das Arbeitstempo selbst zu bestimmen. Die eigenständige Arbeit der Schülerinnen und Schüler ermöglicht das Bearbeiten individueller Fragen und die persönliche Vertiefung.
Sogenannte „Assignments“ leiten die Lernenden, sind inhaltlich definiert und geben einen Zeitrahmen vor. Die Schülerinnen und Schüler können ihre Arbeit selbst einteilen und organisieren.

Während der Bearbeitung der Aufgaben stehen Lehrpersonen als Beraterinnen und Berater zur Seite. In Gesprächen werden individuelle Fortschritte besprochen, Fragen geklärt und Ziele für die nächste Arbeitsphase festgelegt.
Die Reflexion des eigenen Lernens begleitet die Arbeit. Lernende schätzen ihre Leistungen selbst ein, sie lernen, ihre Stärken und Schwächen zu erkennen und sich Ziele für ihre persönliche Weiterentwicklung zu setzen.

Der Daltonplan fördert die Selbstständigkeit, Eigenverantwortung, Zeitmanagement-Fähigkeiten und die Entwicklung von Lernstrategien bei den Schülerinnen und Schülern. Er ermöglicht individuelles Lernen und passt sich den Bedürfnissen und Interessen der Lernenden an. Durch die Umsetzung des Daltonplans sollen die Schülerinnen und Schüler zu aktiven und eigenmotivierten Lernenden werden.
(vgl. Popp, 2023, 72 ff.)

 2.2  Das COOL-Konzept im Vergleich mit dem Daltonplan

COOL (Anmerkung: Akronym für „Cooperative Open Learning“) ist ein pädagogisches Konzept und basiert auf den Grundprinzipien des offenen Lernens. Prägend für COOL-Unterricht sind die Prinzipien Selbstverantwortung, Freiheit und Kooperation. Schülerinnen und Schüler werden zu aktiven Gestalterinnen und Gestaltern des eigenen Lernprozesses, indem sie ihre Lernziele selbstständig setzen, ihre Lernwege individuell gestalten und in Kooperation mit anderen Schülerinnen und Schülern arbeiten.
(vgl. Impulszentrum für Cooperatives Offenes Lernen, 2023)

Insgesamt kann das COOL-Konzept als eine Weiterentwicklung des Daltonplans angesehen werden. Der stärkere Fokus auf die kooperative Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler prägt das Modell. Durch Gruppenarbeit und gegenseitige Unterstützung sollen sie voneinander lernen und ihre sozialen bzw. überfachlichen Kompetenzen weiterentwickeln. Im Daltonplan liegt der Schwerpunkt eher auf individuellem Lernen, obwohl auch Zusammenarbeit in Lerngruppen möglich ist.
Im COOL-Konzept gibt es eine klarere organisatorische Struktur, es integriert moderne Technologie und digitale Medien in den Lernprozess.

 2.3  Abgleich beider Konzepte mit dem neuen Lehrplan für Mittelschulen

Der Daltonplan und das COOL-Konzept sind pädagogische Konzepte, die auf die Förderung selbstständigen Lernens und die Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbstständigkeit abzielen. Der neue Lehrplan für österreichische Mittelschulen setzt diese Leitvorstellungen in den Fokus, streicht kompetenzorientierte Ansätze heraus. Schülerinnen und Schüler sollen zur eigenständigen Problemlösung und Entscheidungsfindung befähigt werden.
Der Daltonplan und das COOL-Konzept bieten eine strukturierte Form des offenen Lernens, die auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler eingeht und sie in den Lernprozess aktiv einbindet. Der neue Lehrplan konzentriert sich auf individuelle Förderung und Berücksichtigung unterschiedlicher Lernbedürfnisse.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des neuen Lehrplans ist die transparente und kompetenzorientierte Leistungsbeurteilung, die den Schülerinnen und Schülern ein klares Feedback über ihre Leistungen und Fortschritte gibt. Der Daltonplan und das COOL-Konzept setzen ebenfalls auf eine regelmäßige Rückmeldung und Selbstbewertung der Schülerinnen und Schüler, um deren Lernfortschritte zu dokumentieren und gezielt zu fördern.

Der neue Lehrplan stellt gleichermaßen fachspezifische und überfachliche Kompetenzen in den Fokus, die den Schülerinnen und Schülern ein breites Verständnis von verschiedenen Themenbereichen und deren Zusammenhängen vermitteln sollen. Der Lehrplan unterstreicht dabei auch die Bedeutung von digitalen Kompetenzen und Medienbildung.
Insgesamt lassen sich zahlreiche Gemeinsamkeiten und Überschneidungen zwischen den pädagogischen Konzepten und dem neuen Lehrplan feststellen, insbesondere hinsichtlich der Förderung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Schülerinnen und Schüler sowie der Bedeutung einer transparenten und kompetenzorientierten Leistungsbeurteilung. Der Lehrplan geht naturgemäß über die rein pädagogischen Konzepte hinaus, gibt Fachinhalte vor und zielt auf fächerverbindendes und -übergreifendes Lernen ab. Lernen wird ganzheitlich – aus verschiedenen Blickwinkeln – betrachtet: Der Blick auf Problemstellungen und Themen aus multiprofessioneller Sicht bzw. aus mehreren Fachrichtungen soll den Lernprozess steuern.

Weitere Teile von LENA - Ein Lern- und Leistungsnachweis

Michael E. Luxner
Michael E. Luxner

“Fehler sind Helfer und machen Lernen sichtbar!” ist das Motto von Michael E. Luxner.

Er beschäftigt sich mit digitalem Lernen und dem Einsatz moderner Technologien. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der MINT-Gegenstände (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und in der Implementierung einer zeitgemäßen Lernkultur unter den Schlagworten „Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstwirksamkeit, Verantwortung und Kollaboration“.

Michael E. Luxner war Lehrer an der Praxismittelschule der Pädagogischen Hochschule Tirol und leitet die Schule seit 1. September 2023.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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