Wie Schule ein Ort des Wohlfühlens wird (2)

Dafür braucht es gesunde Lehrpersonen

Damit unseren Schüler*innen dies geboten werden kann, braucht es gesunde Mitarbeiter*innen. Der Lehrerberuf – gerade an unserem Standort – ist oft sehr herausfordernd und die Lehrpersonen stehen oft vor einer Vielzahl an Stressfaktoren. Daher sehe ich es als meine Aufgabe als Schulleiterin, darauf zu achten und Maßnahmen zu ergreifen, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Lehrpersonen zu fördern. 

Dies sind einige Aspekte der Lehrer*innengesundheit:

  1. Arbeitsbelastung
    Lehrerinnen und Lehrer haben häufig einen anspruchsvollen Arbeitsalltag mit Unterrichtsvorbereitung, der sich über die personalisierten Schülerarbeitspläne erstreckt und daneben noch die Bewertung von Schularbeiten, soziales Lernen, herausfordernde Elterngespräche und viele weitere zusätzliche Aufgaben beinhaltet. Daher ist es wichtig, dass auch ich als Schulleiterin ein Auge darauf habe, beispielsweise bei der Verteilung von zusätzlichen Aufgaben wie Supplierungen oder Klasseneinteilung.
     
  2. Mentale Gesundheit
    Der Umgang mit den Bedürfnissen und Herausforderungen verschiedener Schülerinnen und Schüler sowie Eltern kann auch emotional belastend sein. Wichtig ist es daher, einen Zugang zu Unterstützungsdiensten für ihre mentale Gesundheit zu schaffen, wie beispielsweise Supervision. 
     
  3. Berufliche Weiterentwicklung
    Die Förderung von Weiterbildungsmöglichkeiten für Lehrerpersonen kann nicht nur ihre beruflichen Fähigkeiten verbessern, sondern auch ihre Zufriedenheit im Beruf steigern.
Ein Wassertropfen perlt auf einem Bambusblatt

Wie kann dies erreicht werden?

Wie eingangs erwähnt, war es für mich von Anfang an oberste Priorität, einen Ort des Wohlfühlens für Kinder und Lehrpersonen zu schaffen. Die Corona-Krise war gerade halbwegs überwunden, die Spannung war jedoch noch spürbar und somit war es mir als Schulleiterin wichtig, den Fokus auf ein achtsames Miteinander zu legen, um somit einen angst- und gewaltfreien Arbeits- und Lebensraum zu schaffen.
Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als ich während unseres Findungsprozesses für unsere QMS-Themen auf das Projekt „Wohlfühlzone Schule“ gestoßen bin. Dies ist ein Projekt gemeinsam mit der Pädagogischen Hochschule Tirol und dem Fonds Gesundes Österreich. Mit diesem Projekt können langfristig die oben genannten Ziele erreicht werden. Daher wurde auch vom Kollegium einstimmig beschlossen, dieses Projekt zu unserem 2. QMS-Thema zu machen. Grundsätzlich geht es um ein Konzept zur Gewalt- und Mobbingprävention. Dieses Präventionskonzept soll jedoch ein Beitrag für eine gesunde und achtsame Schule sein, welcher dem Schutz der Kinder und dem Schutz der Mitarbeitenden dienen soll. 

Für dieses Projekt wurde von mir eine Steuergruppe eingesetzt, die sich aus folgenden Personen zusammensetzt: der Schulleiterin und ihrer Vertreterin, QSK-Koordinatorinnen und einer Lehrperson pro Schulstufe.

In einem ersten Schritt wurden die Lehrpersonen mittels IQES-Fragebogen zu folgenden Punkten befragt:

  • Allgemeine Selbstwirksamkeitsüberzeugungen
  • Arbeitsklima und gewaltpräventives Vorgehen im Kollegium
  • Individuelle Belastung
  • Rahmenbedingungen an der Schule
  • Fortbildungsbedarf

 

Grafischer Fragebogen: Die Kinder können ihren Wohlfühlort auswählen: Klassenzimmer, Werkraum, Bibliothek, Garderobe, vor der Schule, Schulhof, Gänge
Fragebogen der Kinder Credits: VS Neuarzl

Anhand der Auswertung der Fragebögen wurden Maßnahmen gesetzt bzw. gemeinsam erarbeitet:

  • Fortbildungsangebote über die Pädagogische Hochschule Tirol, wie beispielsweise „Stopp sagen – Halt geben“
  • Supervision für Lehrpersonen ⇒ langfristig soll auf Intervision umgestiegen werden
  • Pädagogische Tage zur Erarbeitung eines Stufenplans zur Konfliktlösung, der bereits den Eltern im Schulforum präsentiert wurde. Zu den einzelnen Stufen wurden auch Vorlagen zur Protokollführung ausgearbeitet, die den Lehrpersonen nun zur Verfügung stehen.
  • Ein kollegiales Helfersystem wurde erarbeitet: Jedes Stockwerk unserer Schule hat sich Unterstützungsmöglichkeiten überlegt, um für einander da zu sein.
  • Die Schüler*innen haben derzeit die Möglichkeit, Vorschläge zur Verbesserung der Wohlfühlorte einzubringen. Es wurde dafür schon einiges angeschafft, beispielsweise Trenn- und Schallschutzwände, damit man beim Lernen mehr Ruhe hat, gemütliche Lesenischen, Lerninseln vor den Klassenräumen oder neue Spielgräte im Garten.
  • Gemeinsam wurde mit den Kindern die Haus- und Schulordnung überarbeitet und dem Schulforum zur Abstimmung vorgelegt.
  • Die Schulsozialarbeiterin und Schulpsychologin (M.I.Team) wurden ebenfalls in den Prozess eingebunden und bieten Workshops in den Klassen an – für jede Schulstufe gibt es eigene Themen, die aufbauend gestaltet sind:    

           1. Klasse:    Unsere Klasse (Teamdenken, Freundschaft, Stopp-Regel, Kinderrechte)
           2. Klasse:    Ich und die anderen (Gefühle, Empathie, Identität)
           3. Klasse:    Konflikte + Resilienz (Umgang mit Streit, gewaltfreie Kommunikation, Ich-Stärkung)
           4. Klasse:    Gesellschaft + Medien (Mobbing, Social Media, Vorbereitung auf den Schulwechsel ⇒ Freundschaft Teil 2)

 

 

Grüne Seidenraupenblätter liegen in Reih und Glied. Man sieht sieben Reihen.

Aber auch Einzelgespräche sowie Vernetzungsgespräche werden für Kinder, Eltern und Lehrpersonen vom M.I.Team angeboten.
Im nächsten Schuljahr werden die Lehrpersonen und Schüler*innen nochmals befragt, ob die Maßnahmen greifen bzw. ob Veränderungen spürbar sind und was noch notwendig ist. Ich kann jetzt schon feststellen, dass sich einiges zum Positiven verändert hat. Beispielsweise durch die gemeinsame Ausarbeitung des Stufenplans änderte sich die Sichtweise der Lehrpersonen und sie erfuhren durch diese Teamarbeit, dass sie mit Problemen nicht alleine fertig werden müssen.
Auch Dinge, die gut funktionieren, werden geteilt und das klassenübergreifende Arbeiten wurde verstärkt – dieses gemeinsame Auseinandersetzten mit dieser Thematik hat zusammengeschweißt. Auch die Kinder fühlen sich durch das Eingebundenwerden in den Prozess noch ernster genommen, kommen gerne in die Schule und lernen immer besser, mit Konfliktsituationen umzugehen. Aber auch für die Eltern ist es beruhigend zu wissen, dass ein großes Augenmerk auf ein achtsames Miteinander gelegt wird, soziales Lernen angeboten wird und es Strukturen und Prozesse gibt, nach denen vorgegangen wird.

Mit diesem Artikel möchte ich einerseits anderen Schulleiter*innen Mut machen, dass solche Veränderungsprozesse, wenn man selbst dahintersteht, immer möglich sind. Andererseits ist es mir ein Bedürfnis zu sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass Schule heute nur funktioniert, wenn wir einander auf Augenhöhe begegnen und unser Gegenüber ganzheitlich wahrnehmen. Ich als Schulleiterin kann dazu beitragen, indem ich das gemeinsame Arbeiten in den Vordergrund stelle sowie die Lehrpersonen nach ihren Stärken einsetze und dazu anrege, dass Lehrpersonen zu Lernbegleiter*innen werden, die die Stärken der Schüler*innen in den Vordergrund stellen und daran ansetzen. 

Ich möchte mich bei meinem ganzen Kollegium bedanken, dass sie mit mir diesen Prozess gestartet haben und sich darauf eingelassen haben, neue Wege zu gehen. Danke für das Engagement!

Ein herzliches Dankeschön der HS-Prof. Dr. Bettina Dimai, die uns bei der Umsetzung dieses Projekts begleitet und tatkräftig unterstützt! Es sind sich alle Schulpartner*innen sicher und einig, dass wir auf dem richtigen Weg zu einer Schule des Wohlfühlens sind. 

 

Eine weiße Vogelfeder im Vordergrund, der Hintergrund leuchtet orange, rosa und rot.
Wie gut es doch tut, wenn die Stärken in den Vordergrund gestellt werden.
Cornelia Walder
Cornelia Walder Dipl.-Päd. BEd.

Cornelia Walder ist ehemalige Schulleiterin der Volksschule Neuarzl in Innsbruck und aktuell Schulleiterin der Praxisvolksschule.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-ND.

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