Eine Begegnung mit Tiefgang
Auf Rainers Hof – im Waldele bei Roppen im Tiroler Oberland – leben zwölf Alpakas und zwei Lamas. In den Sommermonaten kommen die Crias, so heißen die Fohlen der Alpakas, aus eigener Zucht hinzu. Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre auf dem 1630 erbauten Hof. Auf der Außenfassade des Hauses befinden sich Fresken des hl. Josef und der hl. Notburga und im gewölbeartigen Inneren des Hauses hängt eine Madonna mit Kind.
Heuer im Sommer besuchten wir (Christoph, Patrizia und unsere Kinder Theresa, Valentina und Elias) diese sanften, ruhigen und neugierigen Tiere, die sich besonders gut für den Kontakt mit Kindern eignen.
Die erste Kontaktaufnahme
Zu Beginn unseres Besuchs vermitteln uns der Hobbylandwirt Rainer und seine Partnerin Brigitte ihr Wissen über die Tiere direkt in der Natur. Das ist notwendig, um die Kinder hinsichtlich der anschließenden Kontaktaufnahme mit den Tieren zu sensibilisieren. Das Besondere auf diesem Hof ist die gemeinsame Haltung von Lamas und Alpakas. Nebeneinander auf der Weide sind die Unterschiede gut erklär- und beobachtbar, denn die Tiere unterscheiden sich nicht nur durch ihre Körpergröße.Beide gehören zur Gattung der Neuweltkameliden und stammen ursprünglich aus Südamerika (Franz 2017, S. 157).
„Sowohl Lamas als auch Alpakas sind Distanztiere“, erklärt Brigitte uns. Rainer zeigt entscheidende Unterschiede auf: „Lamas sind sanftmütiger und werden deshalb häufiger für Therapiezwecke eingesetzt. Zugleich sind sie mutiger gegenüber Raubtieren. Wir haben beobachtet, dass die körperlich größeren Lamas sogar die Alpakaherde beschützen würden.“ Brigitte wirft ein, dass sich Lamas nicht so schnell durch aufgeweckte Kinder aus der Ruhe bringen lassen.
Auf der Weide dürfen die Kinder die Tiere mit Heu füttern. Dazu machen sie es sich in Liegestühlen gemütlich. Ganz besonders lieben Alpakas und Lamas die Haselnussblätter, die die Weide säumen. Weil sie diese Sträucher aber schon bis dorthin, wo sie mit ihren langen Hälsen reichen, abgefressen haben, biegen die Kinder Valentina, Theresa und Elias die Zweige tief nach unten, sodass die Tiere auch an jene Blätter gelangen, zu denen sie sonst nicht kommen. „Bei uns lebenden Alpakas und Lamas muss zudem ein bestimmtes Mineralfutter zugefüttert werden, da die Zusammensetzung der Mineralien in Gras und Heu in ihrem Ursprungsland eine andere ist und diese Mineralien den Tieren hier fehlen würden“, gibt Rainer zu bedenken. „Jedes Tier bekommt eine genau auf das Körpergewicht abgestimmte Menge dieses Futters am Tag.“ Außerdem gibt es noch das sogenannte Strukturfutter und wenn Rainer diese Leckerei auspackt, kommen die Tiere sofort heran.
Eine kleine Runde
Nach dem Herantasten auf der Weide gehen wir mit den Tieren eine kleine Runde zur idyllisch gelegenen Markus-Kapelle. Ursprünglich 1760 erbaut, musste sie zwischen 1980 und 1985 generalsaniert werden. Im Inneren der Kapelle finden sich wunderschön geschnitzte Holzfiguren. In der dreijochigen, steilgiebeligen Barock-Kapelle zünden wir ein Kerzlein an. Die Wiese davor lädt uns zum Verweilen und die Tiere zum Grasen ein.
Nach dem Ausflug kredenzen uns Rainer und Brigitte selbstgemachten Kräutersirup in ihrer heimeligen Küche. Im Winter gibt es alkoholfreien Früchtepunsch. Auf dem Tisch steht ein Räucherstövchen mit einem brennenden Räucherkügelchen – mit Zutaten aus dem eigenen Kräutergarten. „Die machen wir gemeinsam“, sagen Rainer und Brigitte „und die Tirol Seife gewinnt aus unserer Alpakawolle Keratin und stellt daraus Seifen her. Die sind sogar für Allergiker*innen geeignet.“
Ein sanftes und offenes Wesen
In der gemütlichen Küche erzählen Rainer und Brigitte ein wenig von ihrer Begeisterung für die Tiere:
„Wir finden, das sind ganz tolle und interessante Tiere. Sie haben ein sanftes und doch offenes Wesen“, sagt Rainer. Brigitte meint: „Alle Menschen können vom Umgang mit diesen Tieren profitieren, weil sie eine sehr beruhigende Wirkung haben. Für mich jedenfalls wirken sie besser als jede Meditation. Man ist einfach im Hier und Jetzt und die Arbeit mit den Tieren lässt einen den stressigen Alltag vergessen.“
„Weil Alpakas und Lamas über Körpersprache kommunizieren, fördert der Umgang mit ihnen besonders bei Kindern Fähigkeiten hinsichtlich Empathie, was wir in Gesprächen nach der Begegnung mit den Tieren immer wieder heraushören. Wir fragen die Kinder da auch ganz gezielt nach ihren Wahrnehmungen“, sagt Rainer.
„Beispielsweise machen wir bei Kindergeburtstagen Spiele zu taktilen Erfahrungen. Da können die Kinder den Unterschied zwischen Schaffell und Alpaka-Vlies erfühlen, denn das Fell von Alpakas ist viel weicher und flauschiger als das von Schafen“, erklärt uns Brigitte.
„Aktivitäten mit Lamas und Alpakas finden bei uns, wie ihr gemerkt habt, einerseits am barrierefreien Hof, aber vor allem direkt in der Natur statt – etwa bei gemeinsamen Spaziergängen und auf der Weide. Fernab von Handy, Tablet und sonstigen medialen Ablenkungen wird das körperliche Wohlbefinden gefördert. Innere Spannungen werden fühlbar abgebaut“, findet Brigitte und führt weiter aus: „Wir arbeiten zwar nicht in therapeutischen Settings, aber grundsätzlich eignen sich Lamas und Alpakas für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Menschen mit Beeinträchtigung(en), Senioren oder traumatisierten Personen bzw. Menschen mit psychischen Belastungen. Bei Ängsten, ADHS oder Autismus soll die ruhige Präsenz dieser Tiere stabilisierend wirken. Die Wirkung zeigt sich vielfältig – Alpakas und Lamas berühren emotional, sozial und körperlich.“
Man ist einfach im Hier und Jetzt und die Arbeit mit den Alpakas und Lamas lässt einen den stressigen Alltag vergessen.
Uns hat der Ausflug ins Waldele absolut begeistert. Für unsere Kinder nehmen wir noch drei Stofftier-Alpakas mit. Wir verabschieden uns und werden definitiv wiederkommen. Bald.
Literatur
- Franz, S. (2017): Veterinär Spiegel, Lama und Alpaka Teil 1 – Besonderheiten, Anatomie, Haltung. 27(04): 157-162, Enke Verlag in Georg Thieme Verlag: Stuttgart, DOI: 10.1055/s-0043-118895
- Quelle zur Kapelle: www.roppen.at/system/web/zusatzseite.aspx , Zugriff, am 10.10.2025, 16:30)
- alle Fotos im Beitrag: Fotocredits (c) Patrizia Bartl
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