Teamteaching im offenen Unterricht der Primarstufe

Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Thema „Teamteaching im offenen Unterricht der Primarstufe“ und geht der Forschungsfrage "Wie kann man Unterricht im Team effizient gestalten, um den Bedürfnissen und Begabungen der Kinder personalisiert gerecht zu werden?" nach. Der Schwerpunkt liegt darauf, inwiefern das Teamteaching und der offene Unterricht, ein personalisiertes Lernen der Kinder im Klassenraum unterstützen. Dabei werden Kriterien für ein qualitativ hochwertiges Teamteaching und wesentliche Merkmale des personalisierten Lernens im offenen und inklusiven Klassenzimmer angeführt. 

Ein Blick in die Praxis

Das Teamteaching im offenen Unterricht unterstützt den Umgang mit Diversität und Vielfalt im Klassenraum. Zwar gibt es einige Studien zur Arbeit im Teamteaching in der Sekundarstufe (z.B. Eine Schule für alle, 2011 und Zumwald, 2012), jedoch im deutschsprachigen Raum, ergibt sich noch ein großer Forschungsbedarf zum Teamteaching in der Primarstufe.

Gerade in dieser Schulform müssen Pädagoginnen und Pädagogen gut zusammenarbeiten, da jedes Kind mit unterschiedlichen Begabungen und Bedürfnissen in die Grundschule kommt. Zusätzlich wird im Primarbereich eine flächendeckende Ausweitung der Inklusionsklassen forciert. Deshalb ist eine Doppelbesetzung in der Grundschule essenziell. Um den individuellen Bedürfnissen besser zu entsprechen, benötigt es neben einer gelungenen Zusammenarbeit, eine Unterrichtskultur, in der jedes Kind nach seinen Stärken und Schwächen individuell gefördert werden kann. Im Rahmen eines personalisierten Unterrichtsangebotes wird auf die individuellen Voraussetzungen der Lernenden mit personalisierten Lernmöglichkeiten reagiert. Voraussetzung dafür ist eine intakte Zusammenarbeit der Lehrpersonen. Philipp (2014) stellt fest, dass „die Voraussetzung dafür, dass sich für Schüler merklich etwas ändert, ist, dass die Lehrkräfte gemeinsam in Teams etwas bewegen“ (S. 12).

Forschungen (Wobak & Schnelzer, 2015 und Stangier & Thoms, 2011) zeigen das Potential des Teamteachings auf, aber auch, dass der Wunsch in Lehrerinnen- und Lehrerteams zusammenzuarbeiten zwar da ist, allerdings die Umsetzung in der Praxis oft scheitert. Wobak und Schnelzer (2015) schildern, „dass ein Blick in Schulen zeigt, dass viele Lehrpersonen zu müde, zu erschöpft, zu frustriert zum Arbeiten im Team oder überhaupt einmal zum Bilden von Teamstrukturen sind. Das würde Vertrauen, Offenheit, Aufstellen von Spielregeln, sachliche Diskussion, Zeit und Raum voraussetzen. Gerade diese beiden letztgenannten Faktoren werden häufig beinahe reflexartig als Begründung für das Nichttun (-können) angeführt, um das Aufdecken z. B. von mangelnder Offenheit oder zu geringem Vertrauen zu verhindern“ (S. 41).

Aufgrund der geschilderten Unsicherheiten möchte ich diesen Artikel dazu nutzen, mehr Pädagoginnen und Pädagogen zu ermutigen, ihren Unterricht zu öffnen und in Teams zusammen zu unterrichten.
 

Definition Teamteaching und Qualitätsmerkmale

Das Wort "Teamteaching" setzt sich aus den Wörtern "team" und "teaching" zusammen. Zwei Faktoren, die im Bildungsbereich stark voneinander abhängig sind und bei effizienter Umsetzung ineinandergreifen. Fälschlicherweise wird der Begriff "team" oft synonym mit dem Begriff "Gruppe" verwendet. Allerdings gibt es dabei wesentliche Unterschiede zwischen diesen beiden Aussagen. Nach König & Schattenhofer (2014) ist „nicht jede Gruppe ein Team, aber jedes Team eine Gruppe. Der Begriff Team ist eine Sammelbezeichnung für alle arbeits- und aufgabenbezogenen Gruppen, deren Mitglieder kooperieren müssen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen“ (S. 18). Nur weil ein paar Menschen in derselben Berufsbranche tätig sind und zusammenarbeiten, heißt das noch lange nicht, dass sie als Team fungieren. Ein Team ist ein soziales Gefüge, welches durch ein ständiges Geben und Nehmen geprägt wird. Nur bei einer effizienten Zusammenarbeit beider Parteien kann Innovation geschehen.

Dabei wirken insbesondere die Punkte Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Diese zwei Aspekte kommen in der Schule heutzutage massiv zum Tragen. Die Schule soll ständig am neuesten Stand der Schul- und Unterrichtsentwicklung sein, um den Bedürfnissen der Kinder differenziert gerecht werden zu können. Die Eltern haben hohe Ansprüche an den Schulstandort ihrer Kinder und möchten die bestmögliche Förderung erhalten. Die Ansprüche an die Schule steigen: Individuelle Förderung, personalisierte Förderung heterogener Lerngruppen, Ganztagsschule, Inklusion sind nur ein Teil der Ansprüche, welche an die Institution gestellt werden.

Umso mehr benötigt es im Bildungsbereich eine effiziente Nutzung der Ressourcen und Bündelung vorhandener Kompetenzen. Nach den Ausführungen von Philipp (2014) genügen „Fachkenntnisse der Lehrkräfte und der Kooperationspartner allein nicht mehr. Es muss das im Kooperationsprozess gemeinsam entwickelte Wissen um die Notwendigkeit der Zusammenarbeit geben. Darüber hinaus braucht diese Kooperation eine gemeinsame Basis“ (S. 11f.). Philipp (2014) hält dabei fest, „dass eine gelungene Teamarbeit mit gemeinsam festgelegten Regeln beginnt“ (S. 11). Teams prägen eine Bildungsinstitution.
Beschäftigt man sich mit der Thematik intensiver, stößt man dabei im Bildungsbereich häufig auf den Begriff "der multiprofessionellen Teams". 

Ein Team ist ein soziales Gefüge, welches durch ein ständiges Geben und Nehmen geprägt wird.

Personalisiertes Lernen im offenen Unterricht

In den Klassenzimmern Österreichs findet sich (Stand 2020) häufig folgendes Szenario: Die Lehrperson steht an der Tafel und die Kinder schreiben alle dasselbe zur selben Zeit mit. Diese Art des Unterrichtes kann jedoch in der Praxis nicht effizient und zielorientiert sein. Dies veranschaulicht folgendes Beispiel:

Ein Lehrer startet mit einem neuen Turnus in der ersten Klasse Volksschule. Es findet Deutschunterricht statt. Ein Teil der Kinder kann schon lesen, manche Kinder können einige Buchstaben, andere können noch gar keine Laute und ein, zwei Kinder haben eine Lese- und Rechtschreibschwäche. Nun beginnt der Lehrer den Unterricht und möchte gerne den Buchstaben A einführen. Für die Kinder mit niedrigeren Lernausgangslagen kann dieser Unterricht nun eine Überforderung darstellen und für die Kinder mit höheren Lernausgangslagen stellt dieser Unterricht eine Unterforderung dar. Beide Szenarien führen schnell zu Demotivation und Unlust. Überforderung kann sogar zu Angst vor dem Unterricht führen. Diese emotionalen Zustände können, in weiterer Folge, zu Schulangst bzw. später gar zu einem verfrühten Schulabbruch führen.

Ein Blick in die Praxis zeigt, dass der Wunsch des personalisierten Lernens prinzipiell da ist, allerdings gehen Realität und Wirklichkeit noch nicht immer konform. Dies stellt auch Drexl (2013) in ihren Ausführungen fest: „Die Überzeugungen der Lehrpersonen hinsichtlich des selbstständigen Lernens lassen auf eine Anwendung im Unterricht schließen, die zwar das selbstständige Arbeiten der Kinder im Unterricht berücksichtigt, die Selbsttätigkeit im Lernen mit ergebnisoffenem, individuellem Lernziel und selbstbestimmten Lernformen hingegen noch nicht realisiert“ (S. 249). Es sind im Bereich der Bildung viele gute Ideen entwickelt worden, jedoch scheiterte bisher meist die konkrete Umsetzung. 
 

Ein Bub sitzt da und liest

In dieser Arbeit wurde aufgezeigt, dass Veränderungen im Bildungsbereich immer mit sehr viel Zeit und Bereitschaft der einzelnen Pädagoginnen und Pädagogen verknüpft ist. Es wird auf diesen Veränderungsprozessen immer wieder einmal zu Rückschlägen kommen, jedoch sollte man sich als Team einer Bildungsinstitution nicht davon abhalten lassen, im Bildungssektor etwas zu verändern. Das Teamteaching im offenen Unterricht der Primarstufe und das personalisierte Lernen können die Zukunft der neuen Schule bilden. Diese Faktoren unterstützen die Vision, Schule als "Haus des Lebens und des Lernens" zu erfahren, und bereiten die Kinder auf den Prozess des lebenslangen Lernens vor.

Christoph Schneider
Christoph Schneider MA BEd

Christoph Schneider ist Schulleiter einer Tiroler Volksschule. Er hat mehrere Jahre an einer Innsbrucker Volksschule in einer verschränkten Ganztagsklasse in einem personalisierten Lernkonzept unterrichtet. Ebenso war Christoph Schneider Dozent an der Pädagogischen Hochschule Tirol.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-ND.

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