Unser Nikolaus trägt keinen Bart

Das Feiern von Festen ist ein fixer Bestandteil im Kindergartenalltag. Rituale und Traditionen führen nicht nur durch den Jahreskreis, sie geben den Kindern auch Halt und tragen zur Bildung der Gemeinschaft und der sozial-emotionalen Fähigkeiten bei.

Das Warten auf den Nikolaus zählt zu einer der schönsten Traditionen. Es hat etwas Magisches und Wundervolles an sich.
Im SILLPARK Betriebskindergarten kommt der Nikolaus immer am 05.12. zu Besuch. Das Fest wird mit allen Kindern der Einrichtung am Vormittag gefeiert. Dazu zählen die Kinder der Kinderkrippe, im Alter von 1,5 bis 3 Jahren, sowie die Kinder des Kindergartens, von 3 bis 6 Jahren. Um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen, feiern wir dieses Fest ohne Eltern. Schließlich ist das Ganze ja aufregend genug.

Der Besuch des Nikolaus verläuft ohne strenge Ordnung und ohne Druck

Bevor der Nikolaus kommt, gibt es in der Küche eine gemeinsame Nikolausjause. Alle Kinder sitzen an einer langen Tafel, die festlich geschmückt und mit Leckereien belegt wurde. Dafür haben die Kinder bereits einige Tage zuvor fleißig gebacken, von Lebkuchenmännern bis Butterkekse, gab es schon fast alles. Mandarinen, Äpfel und Nüsse runden die köstliche Jause ab.

Verziehrte Lebkuchen in Form von Herzen, Bäumen und Männchen liegen auf einem silbernen Tablett.

Anschließend gehen wir in den Garten hinaus. Dort findet ein freies Spiel statt um die steigende Aufregung der Kinder in Grenzen zu halten. Nach einigen Minuten fragen die Kinder bereits „Kommt der Nikolaus jetzt bald?“ 
Und dann endlich ist es soweit. 

Der Nikolaus kommt zu den Kindern hinaus in den Garten. Er hat seinen großen Bischofsstab und viele Nikolaussackerln mit, für jedes Kind eines. Schnelle Beobachter erblicken ihn gleich und laufen Freude strahlend zu ihm hin. Einige wenige, besonders die Kleinen, nützen die Größe des Gartens und bleiben lieber im Hintergrund um das Schauspiel in Ruhe zu beobachten. Alle stehen locker beim Nikolaus, so wie es sich gerade ergibt. Ganz ohne strenge Ordnung, ohne Kreis und ohne Druck.

Ein Mann, gekleidet wie der Bischof Nikolaus steht im Freien. Er fasst sich an den Kopf bzw. an die Mytra und erzählt den Kindern darüber. Die Kinder stehen rundherum und hören zu.

Der Nikolaus begrüßt die Kinder und stellt sich kurz vor. Anschließend präsentieren die Kinder dem Nikolaus, was sie gelernt haben. Jede Gruppe hat etwas Eigenes für den Nikolaus vorbereitet, das kann ein Lied oder ein Gedicht sein. Dann ist es soweit: Mithilfe einer Pädagogin teilt der Nikolaus die Sackerln aus. Wer sich nicht traut alleine zu ihm zu gehen, bekommt Unterstützung von einer Pädagogin. Nach einigen Minuten Plauderei mit dem Nikolaus, man kommt ihm schließlich selten so nah, verabschiedet er sich um andere Kinder zu erfreuen. Die Aufregung der Kinder legt sich langsam und sie wenden sich wieder ihrem Spiel im Garten zu.

Unsere Nikolausfeier entspricht den Bedürfnissen der Kinder

Seit vielen Jahren feiern wir das Nikolausfest im SILLAPRK Betriebskindergarten auf diese Art und Weise und das aus gutem Grund. 
Durch die vielen verschiedenen Kinder und Entwicklungsstufen, ergeben sich auch viele verschiedene Bedürfnisse. Besonders die jüngeren Kinderkrippenkinder stehen zögerlich, manchmal sogar ängstlich, vor dem großen fremden Mann. Viele von ihnen haben ihn möglicherweise noch nie gesehen. Durch die Rahmenbedingungen und den Garten als Ort der Feier, haben diese Kinder die Möglichkeit sich zurückzuziehen und die Feier so zu erleben, wie sie es brauchen und möchten. Mutigere Kinder haben dagegen die Chance, dem Nikolaus ganz nah zu kommen, mit ihm zu reden und vielleicht sogar den Bischofsstab zuhalten. 
„Unser“ Nikolaus hat auch keinen Bart. Dies mag zwar nicht dem traditionellen Bild des Nikolaus entsprechen, dafür aber den Bedürfnissen der Kinder. Ohne Bart können sie das Gesicht und die Mimik des Nikolaus viel besser erkennen. Dadurch verliert er einen Teil seiner Fremdheit und wirkt weniger einschüchternd auf die Kinder. Ein freundliches Lächeln sagt schließlich mehr als tausend Worte.

Wir Erwachsenen geben uns viel Mühe den Schein für die Kinder zu wahren. Trotzdem gibt es immer wieder einige schlaue Köpfe, die herausfinden, dass es nicht der echte Nikolaus ist, der vor ihnen steht. 
 

Weil der Nikolaus keinen Bart trägt, können die Kinder seine Mimik besser erkennen.

Dadurch ist die Idee entstanden, den Kindern im Vorhinein zu erklären, dass der echte Nikolaus heute nicht mehr, sondern vor vielen hundert Jahren gelebt hat. Doch sein Gedanke lebt weiter. Deshalb gibt es auf der ganzen Welt viele Helfer, die sich als Nikolaus verkleiden um den Kindern und den armen Menschen zu helfen. Diese Erklärung war für die Kinder genug. Manchmal braucht es eben nicht mehr, nur die Wahrheit.

Wenn man dann in die aufgeregten und strahlenden Gesichter der Kinder blickt, während sie vor ihm stehen, ist es völlig gleich ob es nun der echte Nikolaus oder ein Helfer ist. Für die Kinder ist er in diesem Moment ihr Held. Durch sie lebt der Bischof Nikolaus und sein Erbe weiter.


Dieser Beitrag ist das erste Mal in der AUFLEBEN Print-Ausgabe 2017/04 erschienen und ist alle Jahre wieder ein lesenswerter Beitrag. 

Vanessa Hosp
Vanessa Hosp

Vanessa Hosp ist Elementarpädagogin und war zur Zeit der Entstehung des Artikels im Betriebskindergarten SILLPARK.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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