Pfingsten heißt, einander verstehen

Eine der größten Herausforderungen jedes pädagogischen Berufes ist es, mit den uns anvertrauten jungen Menschen eine kommunikative Beziehung aufzubauen und zu pflegen. Sprache ist dabei unser meistverwendetes Medium. Daher verwundert es nicht, dass Gewalt und Sprache eng verknüpft sind.

„Gewalt ist eine Grenzverletzung und geht oft mit Schweigen und Wegschauen einher. Ein Beenden von Gewalt beginnt mit dem Bilden einer gemeinsamen Sprache“ (Schneider, Stark in: AUFLEBEN 2021/2)


Dies gilt nicht nur für junge Menschen untereinander, sondern auch für uns Pädagogen*innen. Ostern ist das Fest der Überwindung von todbringender Gewalt und fi ndet seine ganz konkrete Fortsetzung im Pfingstereignis. Gottes Geistkraft bewirkte damals, dass Menschen die Jünger*innen in ihrer eigenen Sprache reden hörten und sie so verstehen konnten:

Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. (Apostelgeschichte 2,3-4)

 

Eine gemeinsame Sprache zu haben wird zum Sinnbild für ein neues Miteinander im Licht der Auferstehung Jesu. Denn eine gemeinsame Sprache durchbricht die Spirale von Gewalt.

Doch was heißt das nun konkret für den pädagogischen Alltag? Eine der Voraussetzungen dafür, dass auch Pädagogen*innen ihren anvertrauten jungen Menschen nicht mit Gewalt begegnen, ist eine gemeinsame Sprache zu finden. Wie oft hat schon ein schnell dahingesagtes Wort in Kindern und Jugendlichen schwerwiegende Reaktionen hervorgerufen. Auch hier gilt: Scheinbare Kleinigkeiten sind keineswegs Kleinigkeiten. Nun ist es aber für Erwachsene oft wirklich herausfordernd, die Sprache der Kinder zu verstehen, geschweige denn sie zu sprechen. Sprache kodiert viele Inhalte und Bedeutungen. Wie kann man da herausfinden, was wirklich gemeint ist? Nicht umsonst dient Sprache auch der aktiven Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen.

Katze und Hund
Wie Hund und Katz?

Hier kommen fünf Hinweise, was du tun kannst:

1. Du musst dazu nicht studiert haben

Es heißt in der Apostelgeschichte, dass alle erstaunt waren, dass es Galiläer waren, die so redeten. Galiläa ist eine ziemlich ländliche Gegend und die Menschen dort waren einfache Leute. Du musst nicht jedes Jugendwort auswendig können, noch Kinder- oder Jugendsprache sprechen können. Im Gegenteil: Je unvoreingenommener du den jungen Menschen zuhörst und je einfacher du selbst sprichst, umso besser. Du brauchst kein "gutes Beispiel" in hochgestochener Formulierung geben, nur weil du Lehrer*in bist. Sei du selbst.
 

2. Klingt blöd - gibt's nicht

Je direkter und einfacher wir also versuchen miteinander zu sprechen, umso besser wird es mit einer gemeinsamen Sprache klappen. Manche haben Angst, das könnte ihnen als Schwäche ausgelegt werden. Und ja, auch die Apostel wurden verspottet, sie hätten wohl zuviel Wein getrunken. Aber wenn es darum geht, mithilfe gemeinsamer Sprache Gewalt vorzubeugen, dann wäre das Demonstrieren von Machtverhältnissen garantiert kontraproduktiv.
 

3. Sprache ist mehr als Worte

Bezüglich Kommunikation haben wir in der Corona-Zeit wohl alle so einiges dazugelernt: Zoom, Skype, Videokonferenz! Und so hilfreich diese Kommunikationskanäle sind, so viele Tücken haben sie auch. Wie besser man einander doch versteht, wenn man einander präsent gegenüber ist. Viele haben gesagt: Zum Verstehen gehört auch ein Spüren der anderen Person. Das Pfingstereignis bewirkte, dass die Apostel*innen durch Gottes Geistkraft von allen verstanden wurden. Es ist eine Qualität, die sich nicht technisch machen lässt, sondern ein Geheimnis des Miteinanders bleibt. Aber wenn du das nächste Mal ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht führst und es mit einem digitalen Gespräch vergleichst, dann kannst du vielleicht etwas von dieser verbindenden Geistkraft erspüren. 
 

4. Ein Funke genügt

Es heißt, die Geistkraft erschien wie Zungen von Feuer. Nicht umsonst wird hier dieses starke Bild des Feuers verwendet. Einander verstehen zu wollen, gelingt nicht mit Halbherzigkeiten. Es braucht dafür inneres Herzfeuer. Eines ist klar, man wird sich dabei wohl auch mal den Mund verbrennen. Aber neues, osterliches Leben gelingt nur, wenn es von ganzem Herzen kommt. Das Gute ist: ein noch so kleiner Funke kann genügen, um ein großes Feuer zu entfachen. Starte doch einfach mal mit so einem kleinen Funken. Du wirst sehen, es wirkt.
 

5. Gottes Geist wirkt in allen Menschen

Apostel Petrus zitiert in seiner Rede den Propheten Joel, wo es heißt:

In den letzten Tagen wird es geschehen, so spricht Gott: Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden prophetisch reden, eure jungen Männer werden Visionen haben und eure Alten werden Träume haben. (Joel 3)

Ist das nicht eine wunderbare Vision? Doch Vorsicht! Es bedeutet, dass Gott auch durch unsere Kinder und Jugendlichen spricht. Zu schnell vergessen wir das im Alltag. Aber versuche es doch einmal wirklich, den Jungen so zuzuhören, dass du vielleicht Gottes prophetisches Wort hören kannst? Jedenfalls dürfen wir darauf vertrauen, dass die ganzen Bemühungen um eine gemeinsame Sprache nicht nur an "uns Erwachsenen" hängenbleiben. Gottes Geistkraft wirkt auch in den uns anvertrauten jungen Menschen. Hören wir nicht auf zu träumen von einer Welt, in der die Menschen einander verstehen, weil sie die gleiche Sprache sprechen.

Phillip Tengg
Phillip Tengg Mag. theol.

Mag. Phillip Tengg hat katholische Fachtheologie in Innsbruck studiert und ist Geschäftsführer des k+lv. Außerdem ist er Fachreferent für Jugend-Liturgie in der Diözese Innsbruck.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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