Der Drache der Begeisterung

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Beim k+lv Festl 2023 haben wir uns mit dem zweiten Landespatron Tirols, dem Hl. Georg auseinandergesetzt. In der Georgskapelle im Alten Landhaus in Innsbruck feierten wir das Abendlob. Der folgende Text war der geistliche Impuls nach der Lesung.

Die Heiligenlegende des Heiligen Georg erzählt, der Heilige Georg habe einen Drachen getötet, um die Königstochter zu retten. Drachen, meist feuerspeiend, kommen in vielen Kulturen vor und das schon seit langer Zeit. Auch in Innsbruck ist uns ein Drache bekannt, der in der Sillschlucht gehaust haben soll und der in der Entstehungssage des Stiftes Wilten eine Rolle spielt.

Sogar in der Bibel begegnen uns Drachen. Es ist der Leviatan aus Psalm 104, den wir soeben gemeinsam gebetet haben.

Dort ziehen die Schiffe dahin,
der Levíatan, den du geformt, um mit ihm zu spielen.
(Ps 104, 26)
 

 

Ein Dutzend Segelschiffe mit weißen Segeln segeln am See.

Der Leviatan, aus dem Hebräischen: Der sich Windende, ist ein furchtbares Ungeheuer und ist auch den damaligen kanaanitischen Völkern bekannt, wie beispieslweise den Babyloniern - siehe Titelbild. 
Der Drache versucht die Welt ins Chaos zu stürzen. Vor ihm muss man sich fürchten und gegen ihn muss man kämpfen. Dieser Chaoskampf ist auch Teil der Schöpfungsmythen.

Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied, den die Bibel macht. Gott kämpft nicht mit dem Drachen. Die Schöpfungsgeschichte der Bibel ist anders. Gott allein erschafft alles, auch den Drachen. Und nicht nur das: Gott hat ihn erschaffen, um mit ihm zu spielen! Was für eine neue Sichtweise!

Müssen wir den Drachen töten?

Gibt es also so etwas wie einen „Kampf gegen das Böse“? Der Heilige Georg würde – zumindest laut Legende – ja sagen. Ich meine: vielleicht. Ja, wir müssen uns anstrengen, das Gute zu tun. Das ist nicht immer leicht. Und wir müssen uns wehren gegen das, was uns runterzieht. Aber müssen wir den Drachen gleich töten? Könnten wir nicht mit ihm spielen?

Oft bringen es künstlerische Menschen gut auf den Punkt, diesmal der Cartoonist Bizarro. Ich habe euch deshalb in das Heft einen Cartoon abgedruckt.

Aus lizenzrechtlichen Gründen kann der Cartoon hier nicht abgebildet werden. Der Cartoon von Bizarro zeigt im ersten Bild eine Prinzessin, einen Ritter mit gezücktem Schwert und einen feuerspeienden Drachen. Die Prinzessin ruft: „Rette mich!“. Im zweiten Bild liegt der Ritter rauchend am Boden. Die Prinzessin ruft „Danke!“, als die auf dem Rücken des Drachen sitzend mit dem Drachen davonfliegt.

Die Prinzessin möchte gerettet werden. Aber wovor? Es stellt sich heraus, es ist der Ritter. Vielleicht, weil er die Wildheit des Drachen und damit die der Prinzessin töten möchte? Vielleicht brennt in der Prinzessin ein Feuer der Begeisterung. Der Ritter sagt aber: Das ist nicht gut. Sei lieber brav. Tu, was man von dir erwartet. Die Leidenschaft könnte dir schaden, also gehört sie getötet. Doch die Prinzessin ist anders. Sie weiß, etwas muss brennen in ihr.

In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst!

Davon handelt auch das Evangelium, das wir in der Lesung gehört haben (Lk 24,28-32). Dass in den Jüngerinnen und Jüngern etwas gebrannt hat, ist der Grund, warum wir überhaupt hier sitzen. Hätten sie nicht gesagt: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schriften eröffnete?“ (Lk 24,32), dann hätten wir vielleicht nie von Jesus erfahren.
Jede und jeder von uns sollte sich also die Frage stellen: Wofür möchte ich mich begeistern? Die Jüngerinnen und Jünger wissen, wofür ihr Herz brennt, nämlich für die Schrift – das Wort Gottes. Ich persönlich kann kann das gut nachempfinden. Auch ich brenne für das Wort Gottes. Das sage ihr hier ganz offen. Ich bin begeistert von der Bibel.

Es ist der Geist Gottes, den wir im Hymnus besungen haben, der die Begeisterung in uns entzündet. Wir kämpfen keinen verbissenen Kampf gegen das Böse. Übrigens hat die „Fassade der Hoffnung“ der Georgskapelle von Lois Anvidalfarei auch keine Szene „Kampf gegen das Böse“. Der Hl. Augustinus sagt: „In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst“. Deshalb möchte ich euch am Beginn des Arbeitsjahres sagen:

„Habt keine Angst vor einem Höhenflug auf dem Drachen der Begeisterung“.

Bildnachweis

Phillip Tengg
Phillip Tengg Mag. theol.

Mag. Phillip Tengg hat katholische Fachtheologie in Innsbruck studiert und ist Geschäftsführer des k+lv. Außerdem ist er Fachreferent für Jugend-Liturgie in der Diözese Innsbruck.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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