Gottes Talentscouting

Vor einigen Jahren durfte ich für eine vierte Klasse NMS am Ende des Schuljahres einen Schulabschlusstag begleiten. Bei der abschließenden Segensfeier schrieben die Schüler*innen auf eine Fahne, welche guten Wünsche Gott für unsere Zukunft habe. Ein Schüler meinte: „Engagement“, und wollte es aufschreiben, als ihm der Schulleiter den Stift aus der Hand nahm mit den Worten: „Ich schreib’s für dich, du weißt eh nicht, wie man das schreibt.“

Szenenwechsel. Der biblische Prophet Samuel kommt nach Betlehem zu Isai, um aus seinen Söhnen einen zukünftigen Nachfolger für König Saul zu bestimmen. Der Reihe nach werden ihm die stattlichen jungen Männer vorgestellt, doch Gott winkt ab. Auf Samuels Frage, ob das alle Söhne seien, meint Isai, dass da nur noch ein kleiner Junge namens David übrig wäre, aber der hütet die Schafe. Samuel lässt ihn holen und Gott bestimmt: Der ist es! Denn offenbar hat Gott Davids Potenzial erkannt. Dem Samuel erklärt Gott: „Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der HERR aber sieht das Herz.“ (1 Sam 16,7).

Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der HERR aber sieht das Herz.

(1 Sam 16,7)

Am Ende dieser Geschichte heißt es dann noch: „Und der Geist des HERRN war über David von diesem Tag an.“ Gott traut dem kleinen David Großes zu. Dieses Zutrauen beflügelt David und bringt im Laufe der Zeit sein Potenzial zur Entfaltung. Immerhin wird er einer der bedeutendsten Könige Israels werden.

 

Gott traut dem Menschen also Großes zu. Es geht weniger darum, was du bereits für Fertigkeiten hast, schon gar nicht um Äußeres oder um das, was du (vermutlich) nicht kannst. Es geht nur darum, was in dir steckt und darauf wartet, von dir entfaltet zu werden. Leider ist das oft mit einem radikalen Perspektivenwechsel verbunden. Nicht wenige sind zeitlebens darauf getrimmt, Fehler zu suchen. Der Spruch; „Eigenlob stinkt“, tut sein Übriges. Zähle doch einmal mit, wie oft du im Laufe eines Tages zu anderen „Entschuldigung!“ sagst. Auch unser Bildungssystem war viel zu lange darauf fixiert, die Schwächen zu fördern, anstatt der Stärken. Als ich unlängst die Englisch-Mappe meiner Nichte aufgeschlagen habe, war ich schockiert zu sehen, dass die erste Seite der „Fehlerschlüssel“ war. Was für ein demotivierendes Mindset damit geschaffen wird!

 

Gott fragt dich nicht nach deiner Orthographie. Gott fragt dich nicht nach deinen Fehlern. Gottes Geist ist mit dir und möchte, dass du aus deinen geschenkten Anlagen das Beste machst. Entfalte dein Potenzial! Das ist der Königsweg für dein Leben.

Phillip Tengg
Phillip Tengg Mag. theol.

Mag. Phillip Tengg hat katholische Fachtheologie in Innsbruck studiert und ist Geschäftsführer des k+lv. Außerdem ist er Fachreferent für Jugend-Liturgie in der Diözese Innsbruck.

Dieser Artikel erscheint unter Creative Commons, BY-NC-SA.

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