Neulich habe ich nach langer Zeit wieder „Dead Poets Society – Der Club der Dichter“ auf Netflix gesehen. Schon die ersten Szenen haben mich gefesselt: Robin Williams als Lehrer John Keating betritt das Klassenzimmer – und die Schüler*innen sitzen plötzlich aufrecht, nicht aus Angst, sondern weil sie ihm zuhören wollen. Ich musste schmunzeln, denn genau solche Momente kenne ich aus meinem eigenen Schulalltag: Die Augen, die sich kurz erhellen, wenn man etwas sagt, das wirklich interessiert – und nicht nur der nächste Stundenplan-Punkt ist.
Keating zeigt, dass Autorität nicht durch Lautstärke, ständige Kontrolle oder erhobenen Zeigefinger entsteht, sondern durch Respekt, Inspiration und Vertrauen. Er ermutigt die Schüler*innen, eigene Entscheidungen zu treffen, ihre Kreativität zu leben und auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Ein klarer Fall für Thomas Jeffersons Worte:
„Wenn Menschen ihre Autorität nicht durch Vertrauen gewinnen, haben sie keine.“
Wie wahr! Denn wir Lehrerinnen erleben es täglich: Regeln lassen sich kurzfristig durchsetzen – aber echte Autorität entsteht, wenn die Schülerinnen spüren, dass man sie ernst nimmt. Wenn man zuhört, kleine Freiheiten gewährt und gelegentlich auch über die eigenen Macken lachen kann.
Beim Film musste ich oft schmunzeln, weil ich die Parallelen zu meinem Alltag kaum übersehen konnte: Die kleinen Aufmüpfigkeiten der Schüler*innen, das heimliche Papierflieger-Bauen, die lautlosen Sitzplatzwechsel – und plötzlich der Moment, in dem sie freiwillig still werden und zuhören. Genau dieser Moment zeigt: Vertrauen schlägt Befehl. Immer.
Keating lebt auch vor, wie wichtig Vorbildwirkung ist. Wer selbst unsicher oder gestresst ist, verliert Autorität – egal wie laut man rufen würde. Wer aber mit Ruhe, Humor und Konsequenz agiert, gewinnt die Aufmerksamkeit der Klasse. Manchmal reicht ein schiefer Blick, ein gut platzierter Kommentar oder ein Augenzwinkern, um Chaos in Ordnung zu verwandeln.
Und ja, ich gebe zu: Es gibt diese Tage, an denen man sich wünscht, man könnte einfach so in den Raum treten wie Keating. Stattdessen steht man da, mitten im Klassenzimmer, und eine Horde Schüler*innen diskutiert, wer die längste Kaugummikette zusammenbekommt. Aber genau an solchen Tagen merkt man, dass Autorität durch Vertrauen und ein bisschen Humor entsteht – nicht durch Schreien.
Autorität entsteht durch Vertrauen und ein bisschen Humor.
Das Wiedersehen des Films auf Netflix war für mich wie eine kleine Auffrischung: Eine Erinnerung daran, dass Autorität verdient werden muss, dass Vertrauen der Schlüssel ist und dass ein bisschen Leichtigkeit im Schulalltag Wunder bewirken kann. Und dass selbst die flinkesten, cleversten Schüler*innen folgen, wenn sie wissen: Ich glaube an euch, also könnt ihr mir folgen.
Am Ende ist echte Autorität kein Mythos. Sie entsteht in kleinen Momenten – in der Reaktion auf ein freches Lächeln, eine wilde Idee, einen chaotischen Klassenzimmermoment. Sie zeigt sich, wenn man Geduld, Respekt und Humor kombiniert und manchmal sogar einem alten Film auf Netflix dabei zuschaut, wie man es richtig macht.
Hinweis
Dieser Beitrag wurde bereitsvon der Christlichen Lehrerschaft Wiens in der Wiener LehrerINNENZeitung veröffentlicht und AUFLEBEN.online für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
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